Abstrakt
Projektarbeit gehört heute zum Tagesgeschäft vieler Unternehmen. Nicht nur im IT-Bereich finden sich Vorhaben in Form von Projekten, die von wechselnden Teams und ihrem Projektleiter zum Ziel geführt werden sollen.
Trotz gut etablierter Projektmanagement-Methoden und ausgebildeter oder sogar zertifizierter Projektleiter erreichen dennoch immer mehr Projekte nicht oder nicht vollständig die gesetzten Ziele.
Wo stoßen Methoden und Zertifizierungen an ihre Grenzen, wo liegen weitere Herausforderungen und welche Maßnahmen können ergriffen werden, um Projekte erfolgreich zum Ziel zu führen?
Anhand von Erfahrungen aus aktuellen Projekten sollen die Herausforderungen für Projektleiter sichtbar werden und Möglichkeiten aufgezeigt werden, mit diesen umzugehen.
Themen des Artikels:
- Unterschätzte Auftragsklärung
- Grenzen von Methodenkompetenz und Zertifizierung
- Engagierte Stakeholder
- Hochmotiviertes Projektteam
- Respektierter Projektleiter
Unterschätzte Auftragsklärung
Nicht neu, aber immer noch aktuell: Am Anfang eines erfolgreichen Projekts steht ein klarer und realistischer Auftrag!
Der Grundstein für ein erfolgreiches Projekt wird gelegt, wenn am Anfang offen und ehrlich die tatsächlichen Anforderungen definiert werden und wenn die Risiken, die meist bekannt sind, aber gerne verschwiegen werden, offen benannt werden. Dies ermöglicht es den Projektbeteiligten und ggf. den externen Unterstützern, realistische Aufwandsschätzungen abzugeben und einen realistischen Fertigstellungstermin zu benennen. Politische Termine enden erfahrungsgemäß mit Änderungen am Umfang der Leistungen, die bis zu dem gesetzten Termin erbracht werden können. Hoher Preisdruck, insbesondere bei der Einbindung externer Dienstleister, führt leider häufig dazu, die tatsächlich benötigten Leistungen „klein zu reden“. Abgegebene Angebote sind darüber hinaus nicht selten „Kampfpreise“, die davon leben, dass
man später über Änderungsaufträge fehlenden Umsatz hereinholt. Durch diese Praxis sind überflüssige und zeitraubende Diskussionen im Projektverlauf vorprogrammiert, Budgetüberschreitungen und Terminverschiebungen bleiben nicht aus. In späteren Phasen lässt sich ein Auftrag nur mit viel Mühe rückwirkend konkretisieren – was war tatsächlich gemeint und was wurde verstanden – was ist jetzt ein Änderungsauftrag und was war schon immer so gefordert?
Für den Projektleiter ist es in der frühen Phase der Auftragsklärung wichtig, den konkreten Auftrag, die Kalkulation und die Ziele zu kennen, zu verstehen und vertreten zu können – nur dann besteht eine Chance, das Projekt erfolgreich über die Ziellinie zu bringen. Der Projektleiter darf sich nicht scheuen, den Auftrag kritisch zu hinterfragen, die Risiken aufzudecken, die noch nicht benannt wurden oder auch die indirekt formulierten Erwartungen klar zu konkretisieren. Dies erfordert ein gesundes Selbstbewusstsein sowie Erfahrungen im Umgang mit Konfliktsituationen in der Person des Projektleiters.
Methodenkompetenz und Zertifizierung
Methodenkompetenz und Zertifizierung stoßen an Grenzen, wenn das nötige Fachwissen und das technische Verständnis beim Projektleiter nicht vorhanden sind.
Dieser Punkt wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Zertifizierungsorganisationen werben damit, dass sie in der Lage sind, Projektleiter auszubilden, die mit minimaler Projekterfahrung und reinem Methodenwissen jedes Projekt erfolgreich steuern und abschließen können.
Leider deckt sich dies nicht mit unseren Erfahrungen (Ausnahmen bestätigen sicher auch hier die Regel). Projektleiter überschwemmen mit einem Stapel von Zertifikaten den Markt und wundern sich, warum es schon bei kleinsten Abweichungen vom Normprozess im Projekt zu Problemen kommt. Das Projektgeschäft muss man erlebt und erfahren haben. Wie fühlt sich die Funktion als
Mitglied des Projektteams an? Welche Eskalationsmöglichkeiten habe ich als Teammitglied und welche Erwartungen knüpfe ich an meinem Projektleiter? Diese Punkte mögen im Zertifizierungsprozess erfüllt sein, da dort praktische Erfahrung vorausgesetzt wird. Leider wird nicht berücksichtigt, in welcher Projektgröße, in welcher Rolle und in welchen Themen diese Erfahrung erworben wurde.
Ebenso kritisch wie relevante Projekterfahrung ist das Fachwissen, das heute eine immer geringere Halbwertzeit hat. Der allgegenwärtige Zeitdruck im Projekt erfordert schnelle und fundierte Entscheidungen. Wir sind hier der festen Überzeugung, dass der Projektleiter zumindest so viel Fachwissen benötigt, um Entscheidungen auch inhaltlich beurteilen zu können – er sollte sie allerdings nicht selbst treffen, selbst wenn dies in Ausnahmefällen dem Projektfortschritt dienlich sein kann. Fachwissen ist auch erforderlich, wenn es darum geht, die benötigten Zeitangaben beurteilen zu können und ggf. realistische Vorgaben machen zu können. Aussagen, die uns häufiger begegnen, wie „Ich kann nicht sagen, wie lange das dauert, das muss ich ausprobieren“ sind keine Planungsbasis für einen geordneten Projektablauf. Hier
muss der Projektleiter in der Lage sein, notfalls realistische Vorgaben machen zu können, die er in die Planung integrieren kann. Ein Projektleiter, der nur anhand von Vorgehensmodellen operiert, kann diese Aufgabe nur teilweise erfüllen.
Und schließlich ist ein fachliches bzw. technisches Verständnis hinsichtlich der Machbarkeit der vorgeschlagenen Lösung nicht zu unterschätzen. Qualifizierte Fragen und die Aufdeckung von Risiken ermöglichen es dem Projektleiter, schneller Irrwege oder Sackgassen, die im Projektverlauf zu Verzögerungen führen können, zu erkennen.
Engagierte Stakeholder
Projekte können nur dann erfolgreich am Ziel ankommen, wenn die Sponsoren, Entscheider und die relevanten Fachbereiche des Unternehmens eingebunden werden, sich einbringen und die nötigen Entscheidungen in angemessener Zeit herbeiführen.
Diese Erwartungshaltung an die Stakeholder erfüllt sich in den meisten Fällen nicht von allein. Der Projektleiter ist hier in einer Rolle als Moderator, teils auch Mediator gefragt. Die Fähigkeit, auf Augenhöhe mit den Entscheidern zu sprechen, wird hier vorausgesetzt, genauso wie eine gewisse Hartnäckigkeit, auf Entscheidungen drängen zu können. Wir haben auch Projekte erlebt, in denen erst ein Austausch eines oder mehrerer Stakeholder zu einem Fortschritt geführt hat – dieses anzustoßen, muss sich ein Projektleiter zutrauen und dann sachlich und begründet vorbringen können.
Hochmotiviertes Projektteam
Das Projektteam hat am Erfolg des Projektes einen wesentlichen Anteil – ausreichende Ressourcen, hohe Motivation und das richtige Hintergrundwissen sind für ein erfolgreiches Projekt unumgänglich.
Verschiedene Aspekte haben Auswirkungen auf ein funktionierendes Projektteam. In internen Projekten ist es häufig der Freistellungsgrad vom „Tagesjob“, der in den wenigsten Fällen, die wir bisher gesehen haben, ausreichend hoch bemessen war. Zwangsläufig kommt es zu Konfliktsituationen – fehlende Zeit wird häufig zu Lasten des Projektes und zu Gunsten des Tagesjobs eingespielt. Im Tagesjob fühlt sich der Mitarbeiter wohl, Projektsituationen sind häufig unbekannt und unangenehm. Beurteilungskriterien der Mitarbeiter orientieren sich sehr häufig am Tagesjob.
In Projekten mit externer Unterstützung mangelt es unserer Beobachtung nach häufig am richtigen Hintergrundwissen – die unternehmensinternen Abläufe sind wenig bekannt, vorhandenes Branchenwissen ist nicht immer Auswahlkriterium, „die/der kriegt das schon hin“-Besetzungen oder „das kann man schnell lernen“-Ressourcen helfen dem Projektleiter leider sehr wenig, wenn er sich auf begrenzte Ressourcen verlassen können muss. Leider werden Projektleiter heute häufig mit diesen oder ähnlichen Situationen im Projektteam konfrontiert. Hier hilft, den Projektleiter in die Besetzung seines Teams einzubinden – dies wiederum setzt beim Projektleiter voraus, dass er die benötigten Skills benennen und beurteilen kann.
Aktiv beeinflussen kann der Projektleiter die Stimmung im Team – ein offener Umgang und eine strukturierte und ehrliche Kommunikation tragen viel zu einer hohen Motivation im Team bei. Mitarbeiter, die ernst genommen werden mit ihren Sorgen und Problemen und denen entsprechende Hilfe angeboten wird, gehen erfahrungsgemäß mit mehr Engagement an die Arbeit.
Der Projektleiter selbst benötigt den erforderlichen Respekt und das Gehör von „oben und unten“, von den Entscheidern wie vom Projektteam. Projektleiter, die die oben geschilderten Kriterien erfüllen, werden dieses Gehör bekommen. Projektleiter, die es verstehen, sachlich und kompetent auf Stakeholder-Ebene zu agieren und
sich gleichzeitig in die Lage der Mitarbeiter versetzen können und ihnen konstruktive Unterstützung bieten können, erwerben bei der Projektarbeit einen „natürlichen“ Respekt. Projektleiter, die mit Nachdruck und Konfliktfähigkeit auch in schwierigen Situationen nicht den „Kopf in den Sand stecken“, tragen wesentlich zu einem Projektfortschritt bei.
Fazit
Methodenkenntnis und Zertifizierungen sind greifbare Kriterien, nach denen Projektleiter ausgewählt werden können. Für die Projektarbeit stellen sie ein gutes Handwerkszeug dar.
Die Kunst, mit diesem Handwerkszeug ein Kunstwerk zu schaffen, lässt sich nicht messen. Hier zählt die persönliche Kompetenz, unter unterschiedlichsten Rahmenbedingungen mit diesem Handwerkszeug umgehen zu können.
Bevor ich einen Architekten beauftrage, schaue ich mir Gebäude an, die er gebaut hat – für einen Projektleiter sind diese Gebäude die bisher erfolgreich realisierten Projekte und die Empfehlung derer, die sie in Auftrag gegeben haben.